Zur Sommerzeit ist wieder einmal ein wissenschaftshistorisches Thema angesagt, das allerdings durchaus einen Bezug zu aktuell relevanten wissenschaftlichen und philosophischen Fragen hat. Es geht um die Diskursfigur des "psychophysischen Parallelismus", die an das Problem des Zusammenhangs von Psyche und Physis, oder moderner: von mind und matter geknüpft ist und im Laufe des 19. Jahrhunderts eine immense und über den Bereich der Wissenschaft hinausreichende Popularität erreicht – ähnlich wie es gegenwärtig mit manchen Thesen der Fall ist, die von den Neurowissenschaften generiert worden sind.
Die Psychologin und Wissenschaftshistorikerin Mai Wegener will mit ihrer lesenswerten Rekonstruktion des Verlaufs dieser Diskursfigur, die für sie im 19. Jahrhundert eine "heiße Zone" der Wissenschaft darstellte, "dazu beitragen, die Aufmerksamkeit für die gegenwärtigen Problematisierungsweisen in diesem Feld zu schärfen" (S. 278). Mit dem Ausdruck "heiße Zone" der Wissenschaft bezeichnet die Autorin den Umstand, dass in diesem Feld viel Aktivität und wenig gesicherte Befunde vorhanden waren. Ihre These lautet, dass es sich mit der Diskursfigur des psychophysischen Parallelismus um "ein Symptom der Auseinandersetzung zwischen den Disziplinen" (S. 283), nämlich denen der Natur- und Geisteswissenschaften, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ausdifferenzierten, handelt. Interessant ist bei dem Thema beispielsweise auch, zu welchen unterschiedlichen und sich teilweise völlig widersprechenden Interpretationen die Konzeption des psychophysischen Parallelismus führte und zu welchen Zwecken die Diskursfigur genutzt wurde. Auch hier sind gewisse Parallelen zu gegenwärtigen Diskursen im Umfeld der Neurowissenschaften zu sehen.