Anfang der siebziger Jahre dringen in der englischsprachigen Welt eigentümliche Berichte an eine verwunderte Öffentlichkeit: Zunächst nur wenige, dann Hunderte und schließlich Tausende von Menschen behaupten, sie seien des nachts auf einsamer Landstraße oder sogar aus ihrem Schlafzimmer heraus gekidnapped und zum Opfer grauenvoller Experimente gemacht worden. Die Täter: außerirdische Eindringlinge - technisch weit überlegen, dabei aber erschreckend skrupellos.
Michael Schetsche beschreibt in seinem Ausatz das Phänomen der Entführungserzählungen sowie verschiedene wissenschaftliche Erklärungsansätze und erwägt deren Erklärungskraft. Er geht speziell auf das sogenannte "False Memory Syndrome" ein, also auf die Annahme "falscher" Wiedererinnerungen, die durch Regressionshypnose im Kontext von therapeutischen Sitzungen zutage treten. Doch auch diese, auf iatrogene Prozesse abstellende Erklärung hat Defizite hinsichtlich des kollektiven Status des Phänomens. Diese legen eine nähere Untersuchung der fiktionalen und dokumentarischen Medienformate nahe, in denen die Entführungserzählung verbreitet wird. In Ergänzung der These vom iatrogenen Ursprung der Entführungserinnerungen durch medienwissenschaftliche Befunde stellt er ein neues, multifaktorielles Erklärungsmodell vor, in dem 'Entführungen durch Außerirdische' als gleichermaßen individuelles wie kollektives, fiktives wie reales Phantom-Phänomen bestimmt werden.
Der Aufsatz beruht auf einem bisher noch unveröffentlichten Manuskriptes eines Vortrags, den Michael Schetsche im Herbst 2003 auf der Tagung der Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie e.V. (WGFP) in Offenburg gehalten hat.