Habituation ist ein geläufiger Begriff in der Psychologie und in der Verhaltensbiologie. Er bezeichnet eine Gewöhnungsreaktion auf einen wiederholt gegebenen Reiz. Beispielsweise nimmt eine Nase einen intensiven Geruch in relativ kurzer Zeit nur noch abgeschwächt wahr, wenn sie ihm permanent ausgesetzt ist. Eine ähnliche Gewöhnung ist auch für die Wahrnehmung von wiederholt gezeigten aversiven oder positiv bewerteten erregenden Bildern nachgewiesen: das Erregungsniveau sinkt.
Der amerikanische Sozialpsychologe Daryl J. Bem, der vor allem durch seine Theorie der Selbstwahrnehmung und seine Arbeiten zur Einstellungs- und Vorurteilsforschung bekannt geworden ist, hat sich seit einigen Jahren mit diesem Forschungsparadigma auseinandergesetzt und es mit einer anomalistischen Fragestellung kombiniert. Er nutzt den gut bestätigten Effekt der Habituation, um damit präkognitive Wahrnehmung zu untersuchen. Dazu dreht er die übliche Vorgehensweise bei der Untersuchung der Habituation um, indem er schon vor der wiederholten subliminalen Darbietung eines Bildes aus einem Bilderpaar deren Beurteilung durch den Probanden vornehmen lässt. Seine Hypothese, dass das Urteil von der Darbietung des zufällig ausgewählten und nachfolgend subliminal präsentierten Bildes abhängig ist, konnte bislang mehrfach bestätigt werden (siehe z.B. Savva, Child, & Smith 2004: The Precognitive Habituation Effect: An Adaption Using Spider Stimuli) In der aktuellen Studie des Monats soll Bems jüngste Untersuchung zu diesem Thema vorgestellt werden, bei der er im Unterschied zu seiner früheren Studie aus dem Jahr 2003, in denen er sehr drastische Bilder eingesetzt hatte, mit nur mässig erregenden und mit neutralen Bildern gearbeitet hat. Die Ergebnisse sind bemerkenswert und überstanden auch die von Bem durchgeführten Kontrolltest.