Zeitschrift für Anomalistik Bd. 5 (Nr. 2+3) erschienen

Luzide Träume und analytische Philosophie, Survival Research als "Niemandsland der Bewusstseinsforschung", die systematische Auswahl von Versuchspersonen in der Parapsychologie und stillschweigendes Wissen in der Remote-Staring-Forschung sind die Themen der Hauptartikel in der gerade erschienenen Ausgabe der Zeitschrift für Anomalistik. Ein weiterer Schwerpunkt sind die fortgesetzten Diskussionen zu früheren Artikeln, in denen Kommentatoren die Aussagen früherer Artikel kritisch beleuchten und konstruktiv diskutieren. Auch die Buchrezensionen nehmen diesmal breiten Raum ein.

Luzide Träume

Der Philosoph Peter Bernhard widmet sich dem Verhältnis zwischen luziden Träumen und analytischer Philosophie. Luzide Träume, also Klarträume, in denen dem Träumenden bewusst ist, dass er träumt, und in denen er auch in das Traumgeschehen eingreifen kann, werden erst seit relativ kurzer Zeit untersucht. Während empirische Forscher das Phänomen bestätigen, stehen viele Philosophen seiner Existenz jedoch nach wie vor skeptisch gegenüber: Die Unterscheidbarkeit von Traum und Wachheit – normales Traumgeschehen lässt sich nicht konsistent in den Gesamtzusammenhang unserer Erfahrungen integrieren – spielt eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Außenweltskeptizismus, der die Erkennbarkeit der Welt anzweifelt; luzide Träume verwischen dagegen die Grenzen zwischen Traum und Wachheit und stellen dieses Argument in Frage. Bernhard erklärt in seinem Artikel, dass diese philosophische Kritik unzutreffend ist, und möchte eine gemeinsame Perspektive von Philosophie und Klartraumforschung aufzeigen.

Survival-Forschung

Die Möglichkeit des Weiterlebens nach dem Tod ist der Gegenstand der "Survival-Forschung", über die Andreas Sommer eine Übersicht gibt. Allerdings: Das Menschenbild der heutigen Neuro- und Kongnitionswissenschaften sieht alle Bewusstseinsfunktionen strikt mit einem funktionierenden Gehirn verknüpft, was keinen Raum für ein Überleben nach dem Tode lässt. Sommer ist dagegen der Ansicht, dass diese akademische Vernachlässigung der Survival-Forschung nicht logisch, sondern wissenschaftshistorisch und -soziologisch begründet ist. Anhand von Fallbeispielen plädiert er für die Berechtigung der Survival-Hypothese als Arbeitshypothese.

Implizites Wissen

Interviews mit Forschern können das implizite Wissen in einem Fachgebiet darlegen, das in gewöhnlichen wissenschaftlichen Fachartikeln nicht deutlich wird. In dieser Ausgabe der Zeitschrift für Anomalistik wird daher zum ersten Mal diese Textform verwendet. Holger Bösch interviewte den US-amerikanischen Parapsychologen Helmut Schmidt, der als einer der herausragendsten Versuchsleiter im Bereich der Zufallsgeneratoren-Experimente (RNG-Experimente für "random number generator") gilt, zur Frage der systematischen Auswahl von Versuchspersonen. In einem zweiten Interview spricht Caroline Watt von der Koestler Parapsychology Unit der Universität Edinburgh mit der kalifornischen Psychologin Marilyn Schlitz und dem Psychologen Richard Wiseman von der Universität Hertfordshire über implizites Wissen in der Remote-Staring-Forschung. Remote-Staring-Experimente untersuchen unter kontrollierten Laborbedingungen die Alltagserfahrung vieler Menschen, die angeblich spüren, wenn sie beobachtet oder angestarrt werden, auch wenn sie den Beobachter nicht sehen können. Schlitz und Wiseman sind beide erfahrene Experimentatoren, die jedoch trotz gleichem Versuchsdesign regelmäßig unterschiedliche Ergebnisse erhalten: Während die Versuchspersonen in Schlitz' Experimenten tendenziell überzufällige Trefferzahlen erreichen, sind Wisemans Ergebnisse mit der Zufallshypothese vereinbar. Watts Gespräche mit den beiden Forschern soll das stillschweigende Wissen um evtl. Unterschiede in den Versuchsbedingungen erhellen.

Fortgeführte Diskussionen und Buchrezensionen

Fortgesetzt werden in dieser Ausgabe der Zeitschrift die Diskussion um frühere Artikel von Ingbert Jüdt ("Paläo-SETI zwischen Mythos und Wissenschaft"), Michael Schetsche und Gerd Hövelmann ("Zur Problematik der Laienforschung"), Jörg Dendl ("Karl den Großen gab es doch!"), Suitbert Ertel ("Astrologie und Psi. Eine Fallstudie verstärkt die Zusammenhangshypothese") sowie Eckhard Etzold ("Ist die Existenz von Psi-Anomalien beweisbar?").

Breiten Raum nehmen auch die insgesamt 13 Buchrezensionen ein. Denn Rezensionen erfüllen, so der zuständige Redakteur Gerd Hövelmann in einem einleitenden Kommentar, eine "wichtige, ja nachgerade unentbehrliche Aufgabe eigener und wechselseitiger Unterrichtung". Die Anomalistik sei nur zum Teil auf eigene empirische Forschungen ausgelegt, vielmehr bestehe "ihre Aufgabe ganz wesentlich in der systematichn Erwägung und Beurteilung fremder Forschung und mit ihr verbundener Argumentationen, die Bezug auf anomalistische Fragestellungen haben". Daher stellen Rezensionen selbst wissenschaftliche Arbeiten dar, die die Aussagen des Buchautors kritisch analysieren sollen.

Über die Zeitschrift

Die Zeitschrift für Anomalistik versteht sich als wissenschaftliches Forum für einen anspruchsvollen, kontroversen Diskurs über wissenschaftliche Anomalien, außergewöhnliche menschliche Erfahrungen und sog. Parawissenschaften. Mit einem interdisziplinären Zugang untersucht sie nicht nur Wahrheitgehalt und Erklärungsmodelle, sondern auch die psychosozialen Hintergründe der mit diesen Themen verbundenen Überzeugungssysteme und die sozialen Rahmenbedingungen des Erkenntnisfortschritts. Zu allen längeren Artikel werden Anmerkungen und Kommentare anderer Autoren eingeladen, die normalerweise im gleichen Heft abgedruckt werden; dies fördert den konstruktiven Dialog und hilft den Lesern bei der kritischen Meinungsbildung und der Einordnung und Beurteilung kontroverser Aussagen.

Die Zeitschrift für Anomalistik wird von der Gesellschaft für Anomalistik herausgegeben, jährlich erscheinen 3 Nummern (ggfls zu Doppelausgaben zusammengelegt) mit insgesamt etwa 400 Seiten. Ein Jahresabonnement kostet 22,- €, GfA-Mitglieder erhalten sie kostenlos im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.